Diese Nacht habe ich nicht sonderlich gut geschlafen. Irgendein elektrisches
surren im Zimmer hat mich wachgehalten. Ich konnte leider nicht ausmachen,
wodurch es verursacht wurde. Als ich um kurz nach 6 Uhr wieder aus dem unruhigen
Schlaf geweckt wurde, versuchte ich gar nicht erst mich nocheinmal umzudrehen,
da ich sowieso für 7 Uhr zum Frühstück verabredet war. Während ich auf Chun
Kwang wartete, kam auch Taisei aus dem Zimmer und wir gingen zu dritt ans
morgentliche Buffet. Nach dem Frühstück machten wir uns gemeinsam im Shinkansen
auf den Weg zurück nach Tokyo. Taisei stieg auf etwa halber Strecke aus, um
seine Familie zu besuchen. Bis Tokyo versuche ich mit mäßigem Erfolg etwas
Schlaf nachzuholen. Am Hauptbahnhof steigen wir in die U-Bahn nach Akihabara um,
dem Elektronik-, Spiele- und Nerd-Zentrum Tokyos. Leider regnet es als wir dort
ankommen.
Um 4:45 Uhr klingelt mein Wecker. Draußen ist es noch dunkel. Als ich wieder aus
der Dusche komme, ist es schon wesentlich heller. Zum Frühstück gibt es ein
Rosinenbrötchen. Um halb 6 treffe ich mich mit Minatsu, die gerade Ihren Master
in unserer Arbeitsgruppe anfängt, und Chun Kwang im Erdgeschoss. Draußen regnet
es in Strömen, deswegen versuchen wir uns ein Taxi zu rufen, haben aber leider
kein Glück. Die erste Firma hat gerade keine freien Taxis, die zweite hat noch
geschlossen und bei der dritten geht niemand ans Telefon. Also laufen wir mit
Regenschirmen gut 20 Minuten ins Stadtzentru zum Bahnhof, wo wir noch auf Taisei
und Kozaki warten. Auf der 1-stündigen Fahrt nach Tokio versuchen wir alle noch
etwas zu schlafen. In Tokio kaufen wir Tickets für den Shinkansen, den
japanischen ICE. Wir haben von unserer Uni ein Zertifikat mit dem wir
vergünstigte Tickets kaufen können. Die Hin- und Rückfahrt kostet so etwa 100€.
Das Geld bekommen wir aber von der Universität zurück. Im Zug sitze ich neben
Taisei und wir unterhalten uns über Musik und das Essen in Deutschland und Japan.
Der Tag beginnt mit Regen. Sehr viel davon. Zum Glück habe ich mir schon einen
Regenschirm gekauft. Trotzdem nehme ich lieber den Bus zur Uni. Um 9:30 Uhr
beginnt die Orientierungsveranstaltung des Fachbereichs. Dachte ich jedenfalls.
Als Chun Kwang und ich dort ankamen, waren 15 Leute aus dem Fachbereich und dem
Sekretariat anwesend. Unsere Tutorin Aki Yamada, die ebenfalls zum Lehrkörper
gehört, erklärte uns, dass die Anwesenden alle nur für uns 2 gekommen sind.
Wir bekommen quasi eine spezielle Einführung. In der Einführung wird vieles
angesprochen was wir schon erledigt haben, wie zum Beispiel das Anmelden bei
der Stadtverwaltung und den Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung. Auch
bezüglich der Kurse die wir machen müssen, können die Vortragenden in der
Einführung einige Folien überspringen, da viele der Kurse aus unserem
Masterstudium als Basiskurse übertragen werden können. Von daher fällt das ganze
sehr kurz aus. Nach einer kurzen Pause kommen noch 4 weitere Studenten dazu,
welche ebenfalls neu in der Arbeitsgruppe sind. Wir hören die gleich Einführung
nocheinmal in vollem Umfang, da auch einige Masterstudenten dabei sind, für die
die volle Einführung wichtig ist. Im Anschluss daran, habe ich einige Tipps und
Hinweise von meinem Betreuer erhalten. Welche Kurse von Interesse für mich sein
könnten, dass ich mir mit der endgültigen Wahl meines Dissertationsthemas bis
Ende Juni Zeit lassen kann und mit wem aus der Arbeitsgruppe ich mich bezüglich
etwaiger Überlappungen und Kooperationen unterhalten sollte. Es war inzwischen
13 Uhr und ich hatte großen Hunger. In der Mensa habe ich mir einen Teller
Nudeln mit Basilikumsoße gegönnt. Die offizielle Einführungsveranstaltung der
Universität haben Chun Kwang und ich leider verpasst. Das Mittagessen ist uns
dann doch wichtiger gewesen. Ich bin ehrlich gesagt auch nicht traurig drum, da
ich ohnehin nicht mehr aufnahmefähig gewesen wäre.
Um 9 Uhr startet das erste Seminar, in dem Professor Suzuki die aktuelle
Zusammensetzung der Arbeitsgruppe darstellt und den Japanern erklärt, warum er
es für besser hält, dass Sie Englisch lernen, statt den “Ausländern” Japanisch
beizubringen. Es ist schlichtweg einfacher, da die Sprache aus weniger Zeichen
besteht. Die Arbeitsgruppe besteht zu einem Viertel aus Nicht-Japanern und
umfasst derzeit rund 40 Leute. Davon sind etwas mehr als ein Viertel Doktoranden.
Die Neuzugänge, darunter auch Ich, müssen sich den anderen kurz vorstellen.
Neben mir und Chung Kwan, ist auch Luis aus Peru neu in der Gruppe. Wir
überraschen die Anwesenden alle mit einer Vorstellung in Japanisch. Was mit
einem kleinen Applaus gewürdigt wird. Besonders unser Betreuer Professor Suzuki
schien das nicht erwartet zu haben. Danach folgt eine 1 stündige Einführung, in
der die Philosophie und die Ziele des Programms erläutert werden. Zum
Mittagessen schließe ich mich wieder den anderen Doktoranden an. Laut den
übrigen internationalen Studenten haben wir, was das Zusammenarbeiten bzw.
miteinander reden angeht, die Beste Arbeitsgruppe auf dem Gesamten Campus
erwischt. Üblicherweise scheint es eher so zu sein, dass Japaner
und Ausländer jeweils unter sich bleiben. Der Chef der Arbeitsgruppe,
Prof. Suzuki, arbeitet dem seit einiger Zeit mit steigendem Erfolg entgegen. Ich
zitiere meinen neuen Kollegen Floris aus Holland: “Finally they behave like
normal humans” (Endlich verhalten Sie sich wie normale Menschen).
An meinem neuen Schreibtisch wartet Karlos aus Australien mit einer kleinen
Überraschung auf mich. Er hält eine Kiste in der Hand und fragt ob, ich die
HoloLens von Microsoft schon kenne. Hm, hab ich schon von gehört, aber
probieren konnte ich Sie bislang nicht. Ist ja auch nicht ganz billig.
Das war ein bisschen wie Weihnachten :D Allerdings war das Wetter eher tropisch
und die Kirschblüten (Hanami) zeigten sich von ihrer Besten Seite.
Der Wecker klingelt und ich stehe auf um zu duschen, aber es kommt nur kaltes
Wasser, also lass ich es ausfallen. Um 8:30 Uhr treffe ich mich mit Kuang Chung
vor dem Wohnheim um Frühstück zu kaufen und zur Uni zu der am Vorabend
angekündigten Besprechung zu laufen. Eine Gruppe von 14 japanischen Bachelor und
Masterstudenten erwartet uns. Wir schaffen es beide uns in Japanisch
vorzustellen. Ein Doktorrand nimmt sich unserer an und weißt uns einen Platz,
während die Studenten den Raum für die Besprechung vorbereiten und das
Whiteboard putzen. Als der Professor kommt, gibt es eine kurze Begrüßungsrunde.
Mit einer Ausnahme findet alles auf Japanisch statt. Chung Kwan und ich werden
kurz von unsere Professor Kenji Suzuki vorgestellt. Dann beginnt die
Besprechung. Es geht um ein 6-Wochen Projekt. Die Studenten bringen eigene Ideen
mit und werden nach Interesse und Machbarkeit in Gruppen aufgeteilt.
Anschließend haben Sie 6 Wochen Zeit 50.000 Yen (ca 500 Euro) auszugeben und
ein Projekt umzusetzen, dessen Anwendung ausdrücklich Spaß machen. Um Punkt 12
Uhr ist die Ideensammlung und Aufteilung der Gruppen abgeschlossen und wir gehen
mit den anderen Doktoranden zum Mittagessen in die Mensa. Danach wurden uns die
Arbeitsplätze gezeigt und wir gingen wieder, da wir noch keine Aufgaben haben.
Zurück am Wohnheim beschließen wir noch Einkaufen zu gehen, da in der Wohnung
außer ein paar Möbeln quasi nichts vorhanden ist. Wir laufen zum Bahnhof ins
Stadtzentrum und fahren eine Station zum größten Einkaufszentrum in der Gegend.
Im Erdgeschoss ist eine Kinderlandschaft aus Pappe aufgebaut.
Heute geht es endlich in mein Zimmer im Wohnheim. Falls irgendein Geldautomat
meine Kreditkarte heute annimmt. Vor lauter Aufregung vergesse ich im Laden
einen Blick auf die Verpackung meines Frühstücks zu werfen, sonst wäre mir
vielleicht aufgefallen was ich da kaufe. Auf den ersten Blick sieht es aus wie
gewöhnliches Sushi. Aber gleich nach dem ersten Bissen wurde mir ein bisschen
anders. Natto! Natto sind gekochte Bohnen, die anschließend vergoren werden.
Mich hat der Geschmack an schlecht gewordenen Goudakäse erinnert. Zum Glück war
in der Packung etwas Sojasoße, so konnte ich den Geschmack etwas überdecken.
Nach der Hälfte musste ich allerdings aufgeben.
Ich bin spät aufgestanden und hab nach dem Duschen endlich die Dokumente für das
Wohnheim ausgefüllt. Dann hab ich in dem Buch gelesen, das ich mir in der
Bücherei ausgeliehen hatte. Japanische Märchen. Der Affe scheint hier nicht so
beliebt zu sein, da er in der Hälfte der Märchen die ich gelesen habe immer der
Böse war, der am Ende bestraft wird. Am Nachmittag musste ich dann doch noch
raus, weil es mir so ganze ohne Bewegung etwas kalt wurde. Außerdem musste ich
noch die Kaution für den Einzug in das Wohnheim holen. Also noch etwas durch die
Sonne spaziert und dabei die Augen nach einem Bankautomaten offen gehalten.
Gleich der erste Automat unterstützt VISA Kreditkarten. Karte reingeschoben wie
üblich, nichts passiert. Das Bild angeschaut auf dem gezeigt wird, wie die Karte
einzuführen ist. Auf der Karte ist ein kleines Dreieck abbgebildet. Sowas hat
meine nicht. Die Öffnung genauer angesehen. Hm, vielleicht mal den
Magnetstreifen nach oben drehen? Nochmal probiert und auf einmal verschwindet
die Karte im Automaten. Geht doch. Eine Weile passiert nichts, dann kommt die
Karte wieder raus und ein Beleg gleich mit. Alles auf Japanisch.
Komische Nacht. Ich habe gefühlt nicht geschlafen und bin um 4 Uhr aufgewacht.
Weiterschlafen ging dann aber trotzdem und plötzlich war es halb 8. Ich hatte für
heute keinen Plan gemacht und so konnte ich mir Zeit lassen mit aufstehen und
duschen. Hunger hatte ich irgendwie auch keinen, also ging ich ohne Frühstück
aus dem Haus. Vielleicht finde ich ja das Wohnheim in dem Stefanie untergekommen
ist. Einfach mal hinlaufen. Sah eher wie ein moderner Wohntrakt aus. Schien es
auch zu sein. Hinter der ersten Türe wartete eine Zweite, die durch eine/n
Bewohner/in geöffnet werden musste. Leider kenne ich Ihre Zimmernummer nicht und
so gehe ich unverrichteter Dinge wieder. Nachdem die Sonne schien und es schön
warm war ging ich um den südlichen Teil von Tsukuba zu erkunden. Auf der Karte
sehe ich einen größeren Park, das soll mein Ziel sein. Der Weg dorthin ist, bis
auf einen kleineren Park mit schön angelegtem Eingang, nichts interessantes.
Kleine Geschäfte, Restaurants und dazwischen einige Wohnhäuser.